Sonderkündigungsschutz

Das deutsche Arbeitsrecht enthält eine Mehrzahl an sog. Sonderkündigungsschutz-tatbeständen, die den Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer erschweren oder ausschließen. Zum Teil wird der Ausspruch von Kündigungen von der vorherigen Einholung einer behördlichen Genehmigung der Kündigung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht, teilweise werden ordentliche Kündigungen generell ausgeschlossen. Die nachfolgende Aufzählung der Sonderkündigungsschutztatbestände erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, insbesondere auch deshalb, weil sich auch in vielen Tarifverträgen Regelungen finden, die - meistens für ältere Arbeitnehmer - einen Sonderkündigungsschutz vorsehen, wobei heute zweifelhaft ist, ob dieser Sonderkündigungsschutz im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und den ihm zugrunde liegenden Vorgaben des Europarechts noch wirksam ist.

 

Ausschluss der ordentlichen Kündigung

Verstreut in verschiedenen Gesetzen finden sich eine Reihe von Regelungen, die generell eine ordentliche Kündigung ausschließen, sodass nur noch eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber in Betracht kommt, für die der Arbeitgeber aber eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 BGB bedarf. Diese Normen schützen in aller Regel Arbeitnehmer, die, wie z.B. Betriebsratsmitglieder, besondere Funktionen ausüben, die eine erhöhte Gefahr von Konflikten mit dem Arbeitgeber mit sich bringen. Ihnen gegenüber erklärt das Gesetz ordentliche Kündigungen für unzulässig, um dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmer ihre Funktion unbeeinträchtigt durch eine Furcht vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes ausüben können. Insoweit finden sich Sonderkündigungsschutztatbestände in:

  • § 15 KSchG (Arbeitnehmervertreter)
  • § 47 BPersVG (Mitglieder der Personalvertretung)
  • § 19 MAVO (Arbeitnehmervertreter im Bereich der katholischen Kirche)
  • § 21 II MVG-EKD (Arbeitnehmervertreter im Bereich der evangelischen Kirche)
  • § 96 III SGB IX (Vertrauensperson der Schwerbehinderten)
  • § 4 f Abs. 3 BDSG (Datenschutzbeauftragter)
  • §§ 58 Abs. 2, 58 d BISchG (Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte)

Sonderkündigungsschutz im Sinn des Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung genießen aber auch andere Personengruppen, die z.B. im allgemeinen Interesse zur Erfüllung bestimmter Aufgaben herangezogen werden oder aus anderen Gründen geschützt werden sollen. Hierzu gehören z.B. Personen, die in den Anwendungsbereich folgender Normen fallen::

  • Art. 48 Abs. 2 Satz 2 GG, § 2 Abs. 3 Abgeordnetengesetz (Mitglieder des Deutschen Bundestages)
  • § 2 Abs. 1 ArbPlSchG (Wehr- und Zivildienstleistende)
  • § 22 Abs. 3 BBiG (Auszubildende nach Ablauf der Probezeit)
  • § 15 Abs. 3 TzBfG (Befristet beschäftigte Arbeitnehmer, für deren Arbeitsverhältnis im Arbeitsvertrag/einem Tarifvertrag keine ordentliche Kündigung vorgesehen ist)
  • § 5 Abs. 1 PflegeZG (Arbeitnehmer während einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung wegen Pflege eines Angehörigen oder nach Ankündigung einer Pflegezeit)

 

Sonderkündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens 15 Jahren beschäftigt werden, bieten z.B. Tarifverträge im Öffentlichen Dienst, aber auch z.B. die Arbeitsvertragsrichtlinien im Bereich des Caritasverbandes, u.a.:

  • § 53 Abs. 3 BAT
  • § 34 Abs. 2 TVöD
  • § 14 Abs. 5 AVR (Richtlinien für Arbeitsverträge des Deutschen Caritasverbandes)

Sonderkündigungsschutztatbestände, die eine ordentliche Kündigung ausschließen, verleihen Arbeitnehmern, die keinen wichtigen Grund für eine Kündigung gesetzt haben, eine sehr starke Position. Außerordentliche Kündigungen, die mit Eignungs- oder Leistungsmängeln begründet werden, oder sog. "Druckkündigungen", die z.B. in Betracht kommen, wenn die übrige Belegschaft die Zusammenarbeit mit dem betreffenden Arbeitnehmer verweigert, sind dann ausgesprochen problematisch. Selbst wenn Betriebsteile geschlossen werden, ist eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nur ausnahmsweise und dann zulässig, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Notfalls ist der Arbeitnehmer auch gehalten, einen Arbeitsplatz frei zu kündigen (LAG Köln, Urteil v. 06.06.2006, 9 Sa 92/06).

 

Behördliche Erlaubnis zum Ausspruch einer Kündigung erforderlich

Gegenüber verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmer ist zwar der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen, doch bedarf der Arbeitgeber zum Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung der vorherigen behördlichen Zustimmung. Entsprechende Regelungen enthalten:

  • §§ 85 ff. SGB XI (Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte)
  • § 9 MuSchG (Mutterschutz)
  • § 18 BEEG (Elternzeit)

Eine ohne vorherige behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist in diesen Fällen unwirksam. Einen etwaigen Kündigungsschutzprozess gewinnt der Arbeitnehmer bei fehlender Zustimmung auch dann, wenn die Kündigung - gemessen am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes - an sich materiell gerechtfertigt gewesen wäre allein aufgrund der fehlenden behördlichen Zustimmung. Die behördliche Zustimmung zu erhalten, ist für den Arbeitgeber häufig problematisch. Im Fall des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte ist sie bei geeigneten Kündigungsgründen noch am leichtesten zu erhalten, für beabsichtigte Kündigungen während des Mutterschutzes oder der Elternzeit hingegen häufig kaum.

Wenn ein Sonderkündigungsschutztatbestand in Betracht kommt, sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber frühzeitig einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einschalten, da die Rechtslage in der Regel kompliziert ist und Kündigungen problematisch sind. Häufig wird in solchen Fällen die Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag unumgänglich sein, wenn das Arbeitsverhältnis beendet werden soll.

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