Arbeitnehmerhaftung
Haftung des Arbeitnehmers für verursachte (Vermögens)Schäden des Arbeitgebers, insbesondere im Straßenverkehr
Modifizierung der gesetzlichen Regelungen durch die Rechtsprechung
Die Haftung von Arbeitnehmern für aus Anlass der betrieblichen Tätigkeit verursachte Vermögensschäden des Arbeitgebers beschäftigt die Rechtsprechung immer wieder, wobei im Straßenverkehr entstandene Schäden aufgrund ihrer Häufigkeit im Vordergrund stehen. Dabei hat die Rechtsprechung für Arbeitnehmer Haftungsprivilegierungen abgestuft nach dem Grad des Verschuldens entwickelt, die im Lauf der Zeit allerdings auch immer wieder in Nuancen der Wandlung unterworfen waren. Diese Haftungsprivilegierung beruhte auf der Erkenntnis, dass das nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch geltende Prinzip der Haftung für den vollständigen Schaden auch bei leichtester Fahrlässigkeit im Arbeitsrecht unbillig ist, weil Arbeitnehmern häufig Arbeitsmittel von beträchtlichem Wert zur Verfügung gestellt werden, deren Beschädigung zu solch hohen Schadensersatzforderungen führen können, dass diese aus dem laufenden Arbeitsentgelt nicht mehr beglichen werden können.
Haftungsprivilegierung nur bei betrieblicher Tätigkeit
Die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers greift nur ein, wenn der verursachte Schaden bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht worden ist. Betrieblich ist eine Tätigkeit, die dem Arbeitnehmer von dem Betrieb und für den Betrieb übertragen worden ist oder die er im Interesse des Betriebs ausführt, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis steht und in diesem Sinn betriebsbezogen ist. Ein lediglich räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Arbeitsleistung genügt nicht. Insbesondere kommen deshalb keine Haftungsprivilegierungen in Betracht bei privater Nutzung eines Firmen-PKW, bei "Spaßfahrten" mit einem Gabelstapler oder Baumaschinen u.ä.
Schadensaufteilung nach dem Grad des Verschuldens
Verursacht ein Arbeitnehmer bei einer betrieblichen Tätigkeit einen Schaden, so verteilt die Rechtsprechung diesen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wobei das maßgebliche Kriterium der Abwägung der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist.
Bei vorsätzlichem Handeln haftet der Arbeitnehmer immer für den vollen Schaden. Vorsatz in diesem Sinn setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer nicht nur hinsichtlich der Pflichtverletzung vorsätzlich handelt, sondern auch den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich voraussieht und billigend in Kauf nimmt. Hält er den Schadenseintritt zwar für möglich, vertraut aber darauf, dass kein Schaden eintreten werde, liegt kein Vorsatz vor.
Auch bei grober Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer in der Regel – aber nicht immer - den Schaden allein tragen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem besonders hohen Maß außer Acht gelassen und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was sich jedem Menschen in der konkreten Situation hätte aufdrängen müssen.
Fällt dem Arbeitnehmer mittlere Fahrlässigkeit zur Last, wird der Schaden nach Quoten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verteilt, wobei auch hier eine Gesamtabwägung aller Umstände die Höhe der Quoten bestimmt. Die Haftung des Arbeitnehmers wird dabei unter Berücksichtigung von Schadensanlass und Schadensfolgen nicht zuletzt unter Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten bestimmt. Neben der Höhe des Schadens, einem für den Arbeitgeber kalkulierbarem oder gar versicherbarem Risiko, der Höhe des Arbeitsentgelts und der Gefahrgeneigtheit der Arbeit können hier auch Gesichtspunkte wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das bisherige Verhalten des Arbeitsverhältnisses einfließen.
Nachfolgend finden Sie Beispiele aus der Rechtsprechung zur Haftungsverteilung bei der - besonders häufigen - Verursachung von Schadensfällen im Straßenverkehr zu Haftungsgrundsätzen, mittlerer Fahrlässigkeit und Unfallflucht.
Haftung des Arbeitnehmers bei Beschädigung eines Dienstwagens
Die Grundsätze über die Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht. Von ihnen kann weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Dies gilt auch bei Beschädigung eines Dienstwagens durch den Arbeitnehmer.
Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht, während bei normaler Fahrlässigkeit der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen liest. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den er Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der gesamten Umstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalls ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten zu berücksichtigen sein.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5.2.2004 – 8 AZR 91/03
Gerät ein Kraftfahrzeug auf abschüssiger Strecke ins Rollen, ohne dass es Anhaltspunkte für einen Bremsdefekt gibt, kann nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises angenommen werden, dass der Fahrer die Feststellbremse nicht oder nicht ausreichend betätigt hat. Dies begründet regelmäßig grobe Fahrlässigkeit.
Verursacht ein Arbeitnehmer grob fahrlässig einen Schaden an vom Arbeitgeber angemieteten LKW, kann der Arbeitnehmer nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe die Autovermietung eine Vollkaskoversicherung für das verunfallte Fahrzeug abgeschlossen, weil nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung ein Regress bei grob fahrlässigem Verhalten ausgeschlossen ist.
Haftungserleichterungen sind auch bei grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko steht. Vorliegend wurde die Haftung auf 750 € entsprechend einem Monatseinkommen des Arbeitnehmers begrenzt.
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13.10.2006, 4 Sa 1325/05
Mittlere Fahrlässigkeit
Vergisst ein Lastkraftwagen-Fahrer beim Abstellen des Lastkraftwagens die Handbremse anzuziehen und kommt es hierdurch zu einem Schaden, kann ohne Hinzutreten besonderer Umstände von mittlerer Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Verwirklicht sich hierbei nur ein geringer Schaden, so ist, wenn die Schadenshöhe den Arbeitnehmer noch nicht in seiner Existenz bedroht, eine Abweichung von der hälftigen Schadensteilung nicht gerechtfertigt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber eine mögliche Kaskoversicherung nicht abgeschlossen hat.
Landesarbeitsgericht Köln vom 11. November 2002, 2 Sa 700/02
Unfallflucht
Wer als angestellter Taxifahrer einen Schaden durch einen Verkehrsunfall verursacht, und vorsätzlich Unfallflucht begeht und damit seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, für den gelten in die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei einer " betrieblich Veranlassten " Schädigung nicht.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.2.2002, 12 Sa 1345/02
Handwerker haftet für den Schaden wie ein Arbeitnehmer
Die vorgenannten Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht Hessen auch auf einen Handwerker angewendet, der zwar kein Arbeitnehmer des Betriebes war, aber ähnlich einem solchen regelmäßig und weisungsabhängig im Betrieb tätig wurde.
Das Gericht bestätigte zunächst, wer grob fahrlässig in seinem Betrieb einen Schaden verursache, sei zum Schadensersatz verpflichtet. Der damals 46 Jahre alte Beklagte war gelernter Schlosser und war seit vielen Jahren praktisch ausschließlich und regelmäßig weisungsunterworfen in einem Milchwerk in Hessen tätig. Das Milchwerk produzierte u.a. Milch- und Kaffeepulver in mehreren Trocknungsanlagen. Am 13. August 2008 hatte der beklagte Handwerker den Auftrag, verschiedene Metallteile an einem der Trockentürme anzubringen. Bei laufendem Betrieb schnitt er mit Schweißgerät und Trennschleifer Schlitze in die Außenwand des Trockenturms. Es entstanden Funken und glühende Metalltropfen, die in den Trockenturm tropften. 17 t Milchpulver entzündeten sich explosionsartig. Der Schaden belief sich auf rund 220.000 €. Er wurde von den Versicherungen des Milchwerks beglichen.
Mit der Klage verlangte die federführende Versicherung von dem Handwerker Schadensersatz in Höhe von 142.000 €.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat den Handwerker zur Zahlung von 17.000 € verurteilt. Nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat der beklagte Handwerker den Schaden grob fahrlässig verursacht. Es läge auf der Hand, dass bei Schweiß- und Flexarbeiten Funkenflug und heiße Metalltropfen entstehen, die erhitztes Milchpulver zur Entzündung bringen. Für den entstandenen Schaden hafte er grundsätzlich in vollem Umfang.
Für Arbeitnehmer im Rechtssinne gilt diese Haftung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nur unter Berücksichtigung der persönlichen Situation und der Umständen des Einzelfalls. Die Haftung soll den Arbeitnehmer nicht in den Ruin treiben. Diese Grundsätze hat das Hessische Landesarbeitsgericht hier auf den Beklagten angewandt, der zwar kein Arbeitnehmer aber als Handwerker praktisch wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Milchwerks eingegliedert war. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat deshalb die Haftungssumme auf 17.000 € beschränkt, was etwa 3 Monatsverdiensten des Handwerkers entsprach.
Hess. LAG vom 2. April 2013, Az: 13 Sa 857/12