Arbeitsunfälle - Haftung des Arbeitnehmers für Verletzungen von Arbeitskollegen

Keine Haftung für "echte" Arbeitsunfälle

Nach § 105 SGB VII sind Arbeitnehmer, die durch eine betriebliche Tätigkeit die Verletzung eines anderen Arbeitnehmers des gleichen Betriebes verursachen, diesem verletzten Arbeitnehmer sowie seinen Angehörigen und Hinterbliebenen nur zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet, wenn sie den Schaden vorsätzlich oder bei einem Wegeunfall herbeigeführt haben. Bei einem fahrlässig herbeigeführten Arbeitsunfall haftet der Arbeitnehmer also grundsätzlich nicht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Hintergrund dafür ist, dass bei Arbeitsunfällen die gesetzliche Unfallversicherung eintritt.

 

Haftungsprivilegierung nur bei betrieblicher Tätigkeit

Wie im Hinblick auf die Haftung des Arbeitnehmers für verursachte Schäden am Vermögen des Arbeitgebers bereits ausgeführt, greift die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers aber auch hier nur ein, wenn der verursachte Schaden bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer einen Arbeitskollegen verletzt zufügt.

In einem Fall, den das Hessische Landesarbeitsgericht zu entscheiden hatte, warf ein Auszubildender in einer Kfz-Werkstatt beim Auswuchten von Autoreifen ohne Vorwarnung plötzlich ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht aus Aluminium in Richtung des Klägers, der ebenfalls Auszubildender war, und traf ihn am linken Auge.

Der Kläger erlitt dadurch erhebliche Augenverletzungen, wobei der Eintritt eines Dauerschadens in Form einer Sehverschlechterung sowie des Verlusts des räumlichen Sehvermögens auch durch mehrere Augenoperationen nicht verhindert werden konnte.

Das Arbeitsgericht und auch das Hessische Landesarbeitsgericht gaben einer Klage des verletzten Auszubildenden gegen seinen Arbeitskollegen statt und sprachen ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe den Kläger fahrlässig an seiner Gesundheit geschädigt. Er hätte wissen müssen, dass ein kraftvoller Wurf mit einem Wuchtgewicht eine solche Verletzung hervorrufen kann. Auf die Haftungsprivilegierung gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII könne der Beklagte sich nicht berufen, da diese nur greift, wenn ein Arbeitnehmer durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall eines Kollegen verursacht. Um eine betriebliche Tätigkeit habe es sich aber hier gerade nicht gehandelt, so dass eben nicht nur für Vorsatz, sondern auch für Fahrlässigkeit gehaftet werde.

Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Kfz-Betrieb sei dem persönlichen Bereich der Arbeitnehmer zuzuordnen, für den ein Arbeitnehmer in vollem Umfang haftet.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 20. August 2013, 13 Sa 269/13

 

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