Beschränkung oder Wegfall des Versorgungsausgleichs - § 27 Versorgungsausgleichsgesetz

Nach § 27 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) findet eine Versorgungsausgleich (ganz oder teilweise) nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung der von den Ehegatten erworbenen Versorgungsanwartschaft abzuweichen.

Strenge Anforderungen an die Einschränkung oder den Wegfall des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit

Dazu eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken, der zu entnehmen ist, wie streng die Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen der Norm zu interpretieren sind:

„Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Weil § 27 VersAusglG für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Wertausgleichs eine grobe Unbilligkeit erfordert, sind strengere Maßstäbe als bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB anzulegen. Eine grobe Unbilligkeit kann daher nur dann angenommen werden, wenn im Einzelfall die rein schematische Durchführung des Wertausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche. Hierbei ist auch und gerade dem den Versorgungsausgleich beherrschenden Gedanken, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist, Rechnung zu tragen. Deshalb sollen die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglich gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung grundsätzlich aufgeteilt werden. Der mit der Anwendung der Härtefallregelung verbundene nachträgliche Eingriff in einen während der Ehe erzielten, abgeschlossenen Vermögenserwerb gebietet außerdem eine Beschränkung auf besonders grobe Verstöße. Weil mit § 27 VersAusglG eine Änderung des materiellen Gehalts der im bisherigen Recht zum Versorgungsausgleich in § 1587 c BGB geregelten Härteklauseln nicht verbunden ist, ermöglicht es die Formulierung in § 27 VersAusglG, auf die bisherige Rechtsprechung zu den in §§ 1587 c, 1587 h BGB a.F., § 3 a Abs. 6 VAHRG a.F. ausdrücklich geregelten Härtefällen und den darüber hinaus entwickelten Fallgruppen zurückzugreifen. Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben. Da § 27 VersAusglG eine anspruchsbegrenzende Norm ist, trägt der Ehegatte, der sich gegen die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet, für die tatsächlichen Voraussetzungen der Norm die Darlegungs- und Feststellungslast. Die so feststellbaren Umstände müssen die sichere Erwartung rechtfertigen, dass sich der uneingeschränkte Versorgungsausgleich grob unbillig zu Lasten des Ausgleichspflichtigen auswirken wird (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 13. Februar 2013 - XII ZB 527/12 -, juris; BGH FamRZ 2013, 106; 2012, 845; 2011, 877; Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 2013 - 6 UF 378/12 -, vom 1. Oktober 2012 - 6 UF 68/12 -, FamFR 2012, 539, und vom 27. Juli 2011 - 6 UF 80/11 -, juris; Beschlüsse des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 28. Januar 2013 - 9 UF 71/12 - und vom 1. Juni 2011 - 9 UF 90/10 -, FamRZ 2012, 449, jeweils m.w.N.; BT-Drucks. 16/10144 S. 68)."

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.03.2013, 6 UF 44/13 

 

 

Wegfall des Pensionärsprivilegs rechtfertigt den Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 Versorgungsausgleichsgesetz nicht

Der Wegfall des Pensionärsprivilegs, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kürzung der Versorgungsanwartschaft eines bereits Pension beziehenden Beamten ausgesetzt war, bis dessen geschiedener Ehegatte seinerseits rentenberechtigt war, rechtfertigt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg den völligen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht.

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts lag ein Fall zu Grunde, der dadurch gekennzeichnet war, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Soldat eine ungekürzte Pension von ca. 1800 € netto monatlich hatte und im Zuge des Versorgungsausgleichs auf seine geschiedene Ehefrau eine Anwartschaft von 772 € übertragen wurde, so dass die Pension des Antragstellers sich auf unter 1100 € reduzierte.

Trotz dieser drastischen Einbuße und einer Zeitspanne von zwölf Jahren bis zur Verrentung der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers entschied das Oberlandesgericht, dass die Streichung des so genannten Pensionsprivilegs im Zuge der Reform des Versorgungsausgleichsrechts sich als bewusste gesetzgeberische Entscheidung zu Gunsten der Solidargemeinschaft darstelle, die grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen sei und deshalb im Wege der Billigkeitsprüfung gemäß § 27 Versorgungsausgleichsgesetz nur korrigiert werden könne, wenn zu der zwingenden gesetzlichen Folge des Wegfalls des Privilegs noch weitere den Ausgleichspflichtigen nachhaltig belastende Umstände hinzutreten. Die Gefährdung des angemessenen Bedarfs des Ausgleichspflichtigen allein sah das Oberlandesgericht ebenso wenig als ausreichend an wie die Fähigkeit von dessen Ausgleichsberechtigten, seinen angemessenen Unterhalt für die Zukunft bestreiten zu können.

Nach der Entscheidung kann eine durch den Versorgungsausgleich entstehende Bedürftigkeit des ausgleichsverpflichteten Pensionärs im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 27 Versorgungsausgleichsgesetz allenfalls dann relevant werden, wenn der Ausgleichsberechtigte über Vermögen verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist.

OLG Brandenburg, Urt. V. 12.11.2013, 3 UF 74/3

 

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